Mama der 50er Jahre

Oder: Wieso ich das altmodische Familien-Modell lebe und dafür kämpfe.

Vor einer guten Woche war ich in Berlin – auf der Blogfamilia. Eine Blogger Konferenz für Familienbloggern jeglichen Kuleurs. Und so schön es dort war, so sehr haben mich bestimmte Aussagen, Vorstellungen und eigentlich auch Vorurteile beschäftigt.

Heute möchte ich mehr darüber schreiben…

 

Sei nicht immer die Tippse

Vorurteile gibt es immer – zu Haufe. Mit allem, was man im Leben macht, tritt man irgendwie auch in ein Vorurteil. Ich glaube auch, dass es normal ist. Es gibt immer Leute, die sich über einiges Gedanken machen, hinter jemandes Rücken reden und einfach Vorurteile haben. Ist das Neid? Das weiß ich nicht, aber so ist es heutzutage. So war es schon immer.

Als ich meinen ersten Job in der Schweiz begann, war ich anfangs die Tippse. Ich litt sehr darunter. Und soll ich Dir verraten, wer mich als Tippse betitelte? Ich selbst.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits knapp drei Jahre in Deutschland in einem gut angesehen Job gearbeitet und weil ich studiert hatte, war ich auch nie eine Sekretärin. In  meinem ersten Job in der Schweiz wurde ich jedoch im Bewerbungsgespräch auf einen anderen Job vorbereitet und die Realität war dann wahrlich anders. Ich durfte „echte“ Sekretärinnenarbeit durchführen: kopieren, ausdrucken, Reisen buchen – also Flüge und Hotels – und einfach auch mal eine Telefonkonferenz organisieren. Versteht mich nicht falsch – denn ich möchte diesen Beruf nicht schlecht machen – für mich war es jedoch eine arge Verletzung meines Selbstwertgefühls. Ich habe studiert und kann weitaus mehr. Wenn man mir also im Bewerbungsgespräch etwas von einem Job auf einer Assistentinnenebene anbieten, dann erwarte ich auch diesen Job. Auch in Deutschland – um genau zu sein in Frankfurt – hatte ich bereits als Partnerassistentin gearbeitet. Mein Job war jedoch völlig anders und angepasst an meine Kompetenz.

 

Long Story Short

Erwartungen können auch schon mal etwas kaputt machen. Vor allem jedoch auch, wenn man nicht wirklich das machen kann, was man eigentlich kann. Hört sich nun vielleicht komisch an, aber ich hatte wirklich damit zu kämpfen eine „Tippse“ zu sein. ich weiß gar nicht wieso – also rückblickend – denn ich habe es nun besser verstanden. Rückblickend kann ich es auch so sagen, denn ich habe damals tatsächlich eine Therapie begonnen – insgesamt sechs Wochen lang. So lernte ich zu verstehen, was Erwartungen in mir auslösen – meine eigenen Erwartungen. Und ausserdem auch, dass ich meine Erwartungen an mich selbst manchmal zu hoch schraube.

Mit Kindern ist es nun nicht anders, aber ich verstehe immer mehr, was meine Erwartungen mit mir machen. Ich erwarte zum Beispiel nicht, dass die Arbeitswelt mich mit Kusshand zurücknimmt – denn nun bin ich auch schon knapp fünf Jahre aus dem Beruf raus. Und da wir vor knapp zwei Jahren nach Deutschland zurückgezogen sind, bin ich sowieso aus dem System raus. Wer nämlich länger als fünf Jahre im Nicht-EU Ausland arbeitet – und die Schweiz gehört ja nicht zur EU – der bekommt nichts. Ach nein, das ist falsch: ich durfte ja von meiner wahrlich lieben Finanzberaterin lernen – wir haben hier in Offenbach wirklich ein super nettes Finanzamt – dass ich „Hausfrau“ bin. Auch wenn ich erst schmunzeln musste, war ich irgendwie auch froh als Hausfrau eingeordnet zu werden.

Ja, ich bin froh eine Hausfrau und Mutter zu sein – beide Jobs sind nun nicht in ihrer Priorität erwähnt

Hausfrau sein ist sicher nicht meine Erfüllung, aber das Leben als Mama erfüllt mich. Ich  glaube auch, dass ich hier wieder einen anderen Anspruch habe. Ich weiß, dass jede Frau einen anderen Anspruch an sich hat, aber einen Anspruch als sich als Mama zu haben muss nicht immer erfüllend sein – für mich ist es erfüllend.

 

Kinderbetreuung

So las ich also kürzlich den Artikel aus der Edition F über die Kinderbetreuung und war überrascht, dass sich so viele davon getroffen fühlen. Denn der Artikel legt zugrunde, dass wir unsere Kinder viel zu früh fremdbetreuen lassen.

Irgendwie – und wahrscheinlich bin ich mit dieser Meinung eher in der Minderheit – sehe ich das genauso. Denn wieso müssen denn alle immer so früh arbeiten gehen? Wieso kann man nicht beim Kind bleiben. Ja, ich sage auch offen, dass ich es wehrlos nicht verstehen kann, wenn man sein Kind schon mit sechs Monaten in eine Krippe oder zu einer Tagesmutter gibt.

Ich möchte nicht provozieren, sondern verstehen. Meiner Meinung nach ist es auch nicht richtig, dass diese Mamas und Papas, die ihre Kinder so früh – also unter einem Jahr – abgeben müssen, meist einfach finanziell nicht weiterkommen. Das ist doch nicht euer ernst? Ich frage dazu ganz einfach die Bundesregierung, was das für ein Modell sein soll. Soll ich mal sagen, wie es auf mich wirkt? Ich weiß noch als ich mit Junior in Bern (Schweiz) zu Hause war immer gedacht habe: wenn wir nun in Deutschland leben würden, gäbe es – genau wie damals bei uns in Bern – Mamas und Papas auf den Spielplätzen – zu egal welcher Tages- und Wetterzeit.

Wir zogen dann auch um – nach Deutschland (jedoch aus beruflichen Gründen bei meinem Mann) und ich war schockiert. Ich hatte gedacht, wenn die Politik hier in Deutschland so offen – oder vordergründig – dafür steht, dass man eigentlich drei Jahre zu Hause beim Kind bleiben kann, es auch viele so machen würden. Da lebt die Politik aber an der Realität vieler Familien vorbei, denn die meisten können es sich in Deutschland nicht leisten, dass nur ein Elternteil arbeiten geht. In der Schweiz dagegen ist es völlig anders: von der Politik her ist es eher so, das man schon knapp sechs oder acht Monaten zurück in den Beruf kommt. Es gibt keine Jobplatzgarantie. Mein damaliger Arbeitgeber war wirklich ein Pionier in seinem Feld: ich konnte ein unbezahltes Jahr nehmen, zwar ohne Jobplatzgarantie, aber ich würde irgendwas in der Firma finden, wenn ich zurückgekehrt wäre. Dass das – im Vergleich zu Deutschland – keine Meisterleistung ist: ein unbezahltes Jahr ist halt unbezahlt, ist mir klar, aber ich finde es besser als in Deutschland. Hier haben wir natürlich den Vorteil der Elternzeit zu schätzen gelernt, denn mein Mann hatte hier sechs Monate gemeinsame Elternzeit als unsere kleine Kaiserin letztes Jahr geboren wurde. In Bern dagegen hatte er sich zwei Woche Urlaub genommen – vom Staat gab es einen ganzen Tag und sein Arbeitgeber war schon modern mit zwei Tagen.

 

Arbeiten gehen oder beim Kind bleiben

Ich glaube, dass die wenigsten Familien wirklich ehrlich entscheiden können, was sie machen wollen. Die meisten Eltern müssen sich für ein Modell entscheiden in dem beide wieder anfangen zu arbeiten. Das kann ich hier für unsere Wohngegend – ein Neubaugebiet mit endlos vielen Familien mit Kleinkindern – auf jeden Fall bestätigen.

Ich schreibe auch gar nicht dagegen, dass man sich als Frau auch etwas erarbeiten möchte oder einfach wirklich kein Interesse hat mit dem Kind länger als ein Jahr zu Hause zu bleiben.

Ich meine wer hat denn wirklich die Wahl?

Sollten wir nicht alle die Wahl haben dürfen? Wer abreiten gehen will, sollte das machen. Wer bei seinem Kind bleiben will, sollte das machen.

Können – jeder sollte machen können, wie er oder sie es für richtig hält. Ich kann wählen. Ach nein, doch nicht: denn ich werde dann ja im Alter dafür bluten müssen, dass ich die letzten knapp fünf Jahre zu Hause war. Ich möchte keine Herdprämie, sondern einfach eine normale – und somit auch altersgerechte – Anerkennung für meine Mamazeit. Nicht mehr oder weniger als jede andere Frau, die sich dafür entscheidet wieder vier Monate nach der Geburt in den Beruf zurückzukehren. Wieso geht das nicht? Wieso nicht? Ich dachte wir leben im Jahre 2018?

Jetzt liege ich dem Staat nicht mal auf der Tasche – also kann dieses Argument nicht kommen. Ich betreue meine kleine Tochter und das liebend gerne. Ich weiß nicht, wann ich sie in die Kinderkrippe schicken möchte oder ob sie doch gleich in den Kindergarten gehen wird. Aktuell wird es wohl eher letzteres, denn nachdem ich nun gelernt habe, dass ich ja quasi zwei Jahre auf einen Platz warten muss, bin ich froh, dass ich sie nach der Geburt angemeldet habe. Hätte ich doch mal in der Schwangerschaft reagiert *Augenroll*.

Ich bin auch nicht gegen Kinderbetreuung und habe auch kein Problem mit dem Wort Fremdbetreuung – es ist nur ein Wort. Meine Güte – immer die Leute, die sich so an Wörtern aufreiben. Ich reibe mich lieber an Chancengleichheit oder Equal Pay auf – denn dahinter steckt wirklich was.

 

Was wir wollen sollten

Ich glaube, dass es mehr Mamas geben sollte, die wirklich ehrlich darüber reden und es auch kundtun, was genau ihnen am System nicht gefällt. Ich habe etliche Freundinnen, die mir immer wieder berichten, wie anstrengend der Alltag und die Zerrissenheit zwischen Job und Familie ist. Oft ist dieser Druck auch nicht anders machbar: beide müssen arbeiten, denn so kann das Leben zu dritt oder zu mehrt sonst nicht stattfinden.

Kann man seine Ansprüche herunterfahren und lieber in einer kleineren Wohnung leben? Ja, das geht sicher, dennoch sollte ein „normales“ Leben für alle möglich sein.

Auch bei Mamabloggern und generell in der ganzen Blogger- und Social Media Landschaft nehme ich diesen Druck subtil wahr: wie viele doch davon berichten, wie stark sie und ausgeglichen sie von ihrem Familien- und Arbeitsalltag sind und dann kommt einfach nach ein paar Wochen der Breakdown Post. Und das wiederholt sich dann einfach so.

Etliche schreiben in ihren Titel „working mom“. Als sei es eine besondere Gabe, ein wichtiger Titel oder gar eine Ehrung noch „worken“ zu gehen. Ich glaube nicht, dass es besonders ist. Jede Mama arbeitet. Jede Mama arbeitet auf ihre Art: sei es als Mama, als Hausfrau oder wirklich in einem Job. Aber der Anspruch sollte nicht sein unbedingt arbeiten gehen zu müssen.

„Was ist denn Dein Ausgleich?“ oder „Du bist also den ganzen Tag zu Hause?“ sind Sätze, die ich oft höre – von Mamis auf dem Spielplatz, von Mamas, die uns beim spielen mit den Kids begegnen. Die wenigsten sind wirklich ehrlich und geben es zu: „arbeiten gehen und Familie ist anstrengend“, „meine Familie allein ist schon anstrengend“ oder „Du machst es genau richtig so lange wie möglich beim Kind zu bleiben“.

Was spricht denn dagegen? Früher waren die Mamas auch lange zu Hause mit Kids – früher nicht alles schlechter – aber auch nicht alles besser. Früher war einfach früher. Jetzt ist jetzt und die Tatsache, dass immer mehr Mamas überfordert sind oder der Anspruch an eine Mutter-Kind-Kur überhaupt da sein kann, sagt meiner Meinung nach alles. Ich glaube, dass es sicherlich auch etwas mit der Globalisierung zu tun. Die wenigstens Familien wohnen noch in der Nähe ihrer eigenen Eltern oder in der Nähe von anderen Verwandten. Es gibt genügend Alleinerziehende, Väter die ihre Kinder viel zu selten sehen, weil sie arbeiten gehen – und auch einfach zu viel (aber das wird grad ein anderes Thema).

 

Wieso sollte man nicht fordern dürfen, was man für richtig hält?

#PersonalIssue

 

Mutter der 50er Jahre BineLovesLife

8 Kommentare Gib deinen ab

  1. Gudrun Maria sagt:

    Ja, genauso sehe ich das. Wir leben in einer Gesellschaft, die daran krankt, in ein dekadentes Stadium des Kapitalismus gelangt zu sein. Haben zählt in einer Neidgesellschaft allemal mehr als das Sein, emanzipatorische Theorien gehen leider vor gelebtes Gleichgewicht, das die Basis jeder Gleichberechtigung sein muss.

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    1. Vielen lieben Dank für dieses schöne Kommentar

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  2. Gudrun Maria sagt:

    Ich stimme dir sehr zu und plädiere dafür, wenn irgend möglich, die Kinder vor allem in den ersten Jahren volle Nestwärme spüren zu lassen. Ich habe diese Zeit mit meinen Kindern sehr genossen. Weniger witzig fand ich den gesellschaftlichen Blick auf mein Hausfrauen-Dasein, nachdem ich vorher eben in das Karrierebild gepasst habe.
    Die Jahre sind vergangen und ein Blick auf meine erwachsenen Söhne und die Entwicklung einer jungen Generation, die in Krabbelstuben betreut wurde, sagt mir, dass meine Entscheidung richtig war. Aber eben auch ein Privileg, denn ich konnte freiberuflich arbeiten und musste das Familienbudget nicht alleine bestreiten.

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    1. Ja. Es ist ein Privileg. Es ist jedoch auch ein zu großer gesellschaftlicher Druck, der eben nur als „Emanzipation“ gefeiert wird. Es ist meiner Meinung nach keine Emanzipation als Frau in der Rolle eines Mannes groß zu werden. Vergleichen und Neid machen leider – vor allem in Deutschland – neben dem großen gesellschaftlichen Druck das Leben als Mama vielen Frauen sehr schwer

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  3. aktivmitkindern sagt:

    Hallo!

    Ein schöner Artikel. Ich bin nun auch seit 5 Jahren Hausfrau 😉 und mit dieser Aufgabe (3 Kinder, Hund und Haushalt) mehr als ausgelastet. Wir schätzen dieses Lebensmodell, da es für uns die perfekte Variante ist. Jeder so, wie es für ihn passt… Da stimme ich dir voll und ganz zu 🙂

    Liebe Grüße!
    Lisa

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    1. Ja, so wie es passt. Liebe Grüße

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  4. Mamality sagt:

    Ich sehe es auch so: Jede Familie sollte das Modell leben können, das sie möchte und zu ihr passt. Egal ob die Mutter Vollzeit zu Hause bleibt, Teilzeit oder gar Vollzeit arbeitet. Ich finde, es geht uns hier in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern doch sehr gut. Wo bekommt man denn schon Geld, um das erste Jahr zu Hause zu bleiben? Und hat einen Anspruch darauf, in Teilzeit zurückzukehren? Wenn ich da sehe, dass man in anderen Ländern nach dem Mutterschutz zurück an den Schreibtisch muss, bestenfalls noch Vollzeit, haben wir es hier doch um einiges entspannter.
    Ich muss ganz klar sagen, dass ich es mir nicht vorstellen könnte, länger als 1 Jahr zu Hause zu bleiben. Auch jetzt beim 2. Kind nicht. Ich brauche einfach einen Ausgleich zum Mamasein, was für meinen Kopf. Umso mehr bewundere ich Mütter, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Denn das ist oftmals in meinen Augen die forderndere Arbeit. Unser Traum ist es, langfristig gleichberechtigt zu arbeiten und entsprechend auch die Kinderbetreuung und Hausarbeit zu verteilen. Das eine Jahr, das ich Teilzeit gearbeitet habe, hat mir gezeigt, dass ich das nicht als optimal empfinde. Immer fühlt man sich zerrissen zwischen Job, Familie und Haushalt. Auf dem Mann als Ernährer der Familie liegt ebenfalls Druck. Also arbeiten wir daran, dass unser Traum irgendwann möglich wird.

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    1. Das ist sehr spannend, wie es jede Familie macht, oder?
      Meiner Meinung nach ist es jedoch auch so, dass es genug für den Kopf als Ausgleich gibt – man muss nicht immer arbeiten gehen, aber wem erzähle ich das 😉
      Ich wünsche euch viel Erfolg, dass ihr bald das richtige Modell für euch findet. Für euch als Familie.

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